Was ist los? www.im-Bezirk.at Gänserndorf

Team Österreich Tafel – Lebensmittel verwenden, nicht verschwenden

Exemplarische Warenkörbe (Lebensmittel und Hygiene) aus dem Landesverband Burgenland.

Wenn Simon Mavec einen Blick auf seine Statistiken wirft, sticht ihm ein Wert sofort ins Auge: „2015 waren unsere Kunden im Schnitt knapp 57 Jahren alt, damals haben vor allem Mindestrentner unsere Unterstützung in Anspruch genommen. Im Lauf der vergangenen acht Jahre ist das Durchschnittsalter aber auf 32 gesunken.“ Der Koordinator der Team Österreich Tafel im Landesverband Steiermark des Roten Kreuzes kennt den Grund für diese besorgniserregende Entwicklung: „Die gestiegenen Lebenserhaltungskosten treffen Kinder und Jugendliche besonders hart. Durch die starke Teuerung kommen speziell kinderreiche Familien zunehmend nicht mehr mit dem Geld aus, das ihnen monatlich zur Verfügung steht.“

csm klein P1199105 0d72caf880 min
Simon Mavec Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband Steiermark

Zusammenarbeit mit Industrie und Handel
Die Team Österreich Tafel wurde 2010 ins Leben gerufen – als spezifisches Angebot des bereits drei Jahre zuvor gemeinsam von Ö3 und dem Österreichischen Roten Kreuz gegründeten Hilfsprojekts Team Österreich: „Die Idee war von Anfang an, das Problem der Lebensmittelverschwendung mit dem Thema der Armutsbekämpfung zu verbinden“, erklärt Simon Mavec. „Unter dem Motto ‚Verwenden statt verschwenden‘ unterstützen wir deshalb bedürftige Menschen mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln, die uns vom Handel und der Industrie zur Verfügung gestellt werden.“
Allein in der Steiermark werden an 23 Ausgabestellen wöchentlich rund 1.400 Menschen mit kostenlosen Produkten unterstützt. „Wir haben Kooperationen mit verschiedenen Supermärkten und Produzenten abgeschlossen, die uns Waren überlassen, die nicht oder nicht mehr für den Handel bestimmt sind.“ Die Gründe dafür, sagt Simon Mavec, sind vielfältig: „Das können Überproduktionen genauso sein wie Waren mit falsch gedruckten Etiketten oder Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum naht oder bereits leicht überschritten sind.“ 
Gewisse Warengruppen, wie etwa Alkohol, werden bewusst nicht ausgeben. Besonders nachgefragt sind aktuell Nahrungsmittel und Hygieneprodukte für Kinder: „Wir nehmen diese Wünsche entgegen und versuchen, sie gut wie möglich zu erfüllen. Aber wir sind immer darauf angewiesen, was wir von unseren Partnern zur Verteilung bekommen.“

Freiwillige in ganz Österreich sind ein Grundpfeiler der Team Österreich Tafel.

Unterstützung für armutsgefährdete Jugendliche ab 16
Eine aktuelle Studie der Statistik Austria im Auftrag des Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, die „Kinderkostenanalyse 2021“, zeigt: Die Lebenserhaltungskosten für Menschen mit Kindern liegen deutlich über jenen von kinderlosen Menschen. In einem Ein-Erwachsenen-Haushalt verursacht ein Kind bis zu 14 Jahren im Schnitt monatliche Mehrkosten von 727 Euro, über 14 Jahren sogar 1.384 Euro. „Wir sehen im Zuge der Teuerungswelle“, sagt Simon Mavec, „dass Alleinerzieher und kinderreiche Familien verstärkt um unsere Unterstützung ansuchen.“
Gestiegen ist aber ebenfalls die Bedürftigkeit von Jugendlichen – weshalb die Team Österreich Tafel die Altersgrenze für Kundinnen und Kunden von 18 auf 16 Jahre gesenkt hat: „Kinder und Jugendliche sind bei Bedarf bisher auch schon mit Lebensmitteln bedacht worden. Allerdings nicht als Primärkunden, also als der Kunde, der bei uns offiziell angemeldet wurde. Aber wenn eine Familie mit zwei Erwachsenen und drei Kindern zu uns gekommen ist, haben wir immer eine Kundenkarte für fünf Personen ausgestellt und dementsprechend haben sie Lebensmittel für fünf Personen bekommen.“
Verstärkt hat sich das Problem zuletzt vor allem durch Jugendliche, die ohne erwachsene Bezugsperson nach Österreich geflüchtet sind: „Mit der neuen Regelung ist es uns jetzt möglich, Menschen zwischen 16 und 18 Jahren auch dann als Kunden aufzunehmen, wenn sie bei keiner erwachsenen Bezugsperson mitregistriert werden können.“ Und wenn ihr monatliches Einkommen unter der Obergrenze von 1.371 Euro bei Alleinverdienern liegt: „Diese Summe ist gestaffelt, bei Alleinerziehern mit einem Kind etwa liegt sie bei 1.783 Euro. Sie wird jedes Jahr an jene Summe angepasst, die als Armutsgefährdungsschwelle definiert wird.“

Ohne Freiwillige geht es nicht!
Simon Mavec hat seine Karriere beim Roten Kreuz als Freiwilliger im Rettungsdienst begonnen, seit dem Frühjahr 2022 leitet der 27-jährige Steirer die Team Österreich Tafel in seinem Heimatbundesland: „Es ist eine Tätigkeit, bei der ich einerseits langfristig planen kann, andererseits aber auch kurzfristig sehe, wie wir das Leben von Menschen konkret und positiv beeinflussen.“ Sein herzlicher Dank gilt in diesem Zusammenhang der großen Zahl an freiwilligen Helfern: „Wir haben allein bei der Team Österreich Tafel aktuell mehr als 1.000 Menschen in der Steiermark, die sich aktiv einbringen und ihre Zeit und ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Ohne ihr Engagement wäre es nicht möglich, unser Angebot aufrecht zu erhalten!“
Die Team Österreich Tafel kann aber jenen Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, nur dann ausreichend Lebensmittel und Hygieneartikel zur Verfügung stellen, wenn es weiterhin eine breite gesellschaftliche Unterstützung gibt: „Wir versuchen, möglichst wenige Produkte selbst anzukaufen“, erklärt Simon Mavec. Hinter der wöchentlichen Ausgabe steckt allerdings eine arbeits- und kostenintensive Logistik: „Wir brauchen Fahrzeuge, um Lebensmittel von Spendern abholen zu können, wir benötigen Lagerflächen und wir müssen unsere Kühlmöglichkeiten immer wieder erweitern. Das sind Fixkosten, die wir natürlich zu tragen haben.“

Mehr als nur Verteilung von Nahrungsmitteln
Für Simon Mavec geht die Arbeit der Team Österreich Tafel aber weit über die Verteilung von Lebensmitteln und Hygieneartikeln hinaus: „Wir wissen natürlich, dass die Menschen nicht zu uns kommen, weil es ihnen Spaß macht. Es ist nie leicht, um Hilfe zu bitten.“ In den Gesprächen mit ihren Kundinnen und Kunden versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tafel herauszufinden, welche Probleme zur aktuellen Lebenssituation geführt haben: „Wir haben beim Roten Kreuz ja viele verschiedene Hilfsangebote und verweisen gerne auf andere Möglichkeiten, wo den Menschen kurz- und auch langfristig geholfen werden kann.“
Sein Traum, sagt Simon Mavec, ist eine Welt und eine Gesellschaft, in der seine Arbeit nicht notwendig wäre: „Wir versuchen immer, unsere Kundinnen und Kunden auch so weit als möglich emotional unterstützen, damit sie langfristig nicht mehr auf unsere Unterstützung angewiesen sind.“ Er gönnt sich einen Moment des Nachdenkens: „Am liebsten wäre es mir, wenn man Serviceleistungen wie die Team Österreich Tafel nicht mehr anbieten müsste, weil niemand unsere Art von Hilfe benötigt.“ Doch das, weiß Simon Mavec, ist eben ein Wunschtraum. In Wirklichkeit ist die Arbeit der Team Österreich Tafel wichtiger als je zuvor.

Quelle Österreichisches Rotes Kreuz am 07. November 2023


zur Startseite

Die mobile Version verlassen